Vorträge zum volksverliebten Antifaschismus und der "Fi

[psaiko]

Der Mythos vom "anderen Österreich" -
Die Legende vom "anderen Deutschland"
Die Fight for Freedom-Gruppe und der volksverliebte Antifaschismus

Vorträge und Buchpräsentation mit Jan Gerber, Gerhard Scheit und Peter Pirker, Einleitung & Moderation: Stephan Grigat

Dienstag, 19. Oktober 2010, 19:00
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien

Bis heute ist das Gerede von einem “anderen" Österreich oder einem “anderen" Deutschland die Grundlage jenes volksverliebten Antifaschismus, dem die Verteidigung der Ehre der Nation schon immer so wichtig war, dass er die im Nationalsozialismus Realität gewordene Volksgemeinschaft konsequent ignorieren musste. Die Fight for Freedom-Gruppe, ein Kreis von exilierten Linken aus Deutschland und Österreich, deren Schriften nun erstmals auf Deutsch im ça ira-Verlag erschienen sind, gehörte zu den Ersten, die diesen Antifaschismus ins Visier nahmen.

“Nach der ersten deutschen Niederlage", so erklärten Curt Geyer und Walter Loeb als zwei führende Köpfe der Fight for Freedom-Gruppe 1942, “wurde der Welt die Lüge von der deutschen Unschuld aufgetischt. Die Welt wurde eingeladen zu glauben, dass Deutschland angegriffen wurde und dass es das Schwert zu seiner eigenen Verteidigung gezogen hat. Eine zweite Lüge wird derzeit für den universellen Gebrauch vorbereitet, die Lüge, dass das deutsche Volk an diesem Krieg unschuldig ist." Während die erste Lüge inzwischen weitgehend vergessen ist, hat die zweite nach wie vor Bestand. Die Legende vom “anderen Deutschland" war eine der ideologischen Gründungsvoraussetzungen der Bundesrepublik und der DDR. Sie gehört bis heute zum geschichtspolitischen Repertoire der Berliner Republik.

Die Mitglieder der Fight for Freedom-Gruppe unterstützten mit antideutschen Schriften Sir Robert Vansittart, Mitglied des britischen Oberhauses und Publizist - und neben Henry Morgenthau bis heute einer der meistgehassten Männer in Deutschland, was wohl einer der Gründe dafür sein dürfte, dass nach 1945 die Deutschen nichts mehr von ihnen hören wollten. Der Ignoranz gegenüber den Positionen der Fight for Freedom-Gruppe im postnazistischen Deutschland entspricht in Österreich das Vergessen, dem der liberale Wiener Politikwissenschafter Gregor Sebba anheim fiel, der sich 1939 im Exil bedingungslos in den Dienst der westlichen Demokratien und ihrer Kriegsanstrengungen gestellt hatte. Anders als die meisten linken Exilanten erkannte er früh den Charakter des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges und wurde für seine Einschätzungen schon 1942 desavouiert und antisemitisch attackiert: Als Jude käme ihm kein Recht zu, für Österreich zu sprechen. Obwohl einer der aktivsten österreichischen Exilpolitiker, ist er heute weitgehend unbekannt.

Österreich - das war seit 1933 das “andere Deutschland" als eigene Nation. Hier hatte es nur ein paar skeptische Bemerkungen einiger weniger Intellektueller und Künstler gegeben, denen der Österreich-Patriotismus in Exil und Widerstand nicht ganz geheuer war. Kein Wunder: aus diesem Patriotismus wurde schließlich die unübertrefflich infame Gründungsvoraussetzung der Zweiten Republik, die ebenso irrsinnige wie gut kalkulierte Behauptung, dass Österreich das erste Opfer Hitlerdeutschlands gewesen sei. Aber seit der Waldheim-Affäre ist es offenkundig schwieriger geworden, an die eigene Lüge zu glauben, und so musste man sich auch hier - wie immer verspätet - auf die Suche nach einem “anderen Österreich" machen. Alfred Hrdlickas “Denkmal gegen Krieg und Faschismus" wies dafür den Weg. Und heute sorgen sich traditionslinke Antifaschisten in Österreich erst einmal um “den absehbaren Image-Schaden der Nation", wenn Figuren wie Barbara Rosenkranz nach staatspolitischen Weihen streben.

Gerhard Scheit und Peter Pirker werden in Impulsreferaten die Besonderheiten der österreichischen Situation beleuchten. Jan Gerber, der die zentralen Texte des Fight for Freedom-Kreises gemeinsam mit Anja Worm erstmals in deutscher Übersetzung herausgegeben hat, wird die Aktivitäten und Schriften dieser Gruppe vorstellen, die trotz ihrer erfolgreichen publizistischen Aktivitäten in Großbritannien und der zahllosen Angriffe, mit denen sie von Seiten des arbeiterbewegten Exils - vom damaligen SAPler Willy Brandt über den Kommunisten Jürgen Kuczynski bis hin zum Sozialdemokraten Erich Ollenhauer - bedacht wurde, sowohl in der deutschen Öffentlichkeit als auch im Wissenschaftsbetrieb über Jahrzehnte hinweg ignoriert wurden.

Jan Gerber, Mitherausgeber von Curt Geyer, Werner Loeb u.a.: Fight for Freedom. Die Legende vom anderen Deutschland. (ça ira: Freiburg 2010: http://www.ca-ira.net/verlag/buecher/ge ... eedom.html)

Gerhard Scheit, Autor u.a. von Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Vernichtung und Volkswohlstand. (ça ira: Freiburg 2001) und Der Wahn vom Weltsouverän. Zur Kritik des Völkerrechts (ça ira: Freiburg 2010)
Peter Pirker, Autor u.a. von Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944. (Czernin: Wien 2004) und Gegen das “Dritte Reich". Sabotage und transnationaler Widerstand in Slowenien und Österreich 1938-1940 (Kitab: Klagenfurt 2010)

Eine Veranstaltung von Café Critique
www.cafecritique.priv.at

Unterstützt von der Studienvertretung Doktorat GeWi/HuS